einmal die woche kein fleisch in öffentlichen kantinen in deutschland – das wünschen sich die grünen schon seit 2010 in ihrem wahlprogramm. ein bericht darüber löste einen sturm der entrüstung aus.
rücksicht nehmen und auf etwas verzichten sollen immer nur die anderen. die chinesen sollen bessere umweltmassnahmen ergreifen, aber wir kaufen in massen produkte made in china. die südamerikaner sollen die rodung ihres regenwalds reduzieren. aber wir wollen auf argentinisches rindersteak nicht verzichten. der klimawandel beängstigt uns, aber wir persönlich haben damit nichts zu tun. uns etwas abverlangen, gar den verzicht auf etwas, das wollen wir nicht.
Wir Deutschen sind Weltmeister im Moralisieren. Aber wenn uns jemand die Wurst vom Brot nehmen will, versiegt der Eifer. Ein Plädoyer für einen Veggie Day:
Die Aufregung um den Veggie-Day, um einen einzigen fleischlosen Tag in der Woche in den Kantinen und Mensen der Bundesrepublik, markiert ein Dilemma in der deutschen Befindlichkeit. Einerseits ist man wohlstandsverwöhnt und behäbig, andererseits möchte man die Welt verbessern und hat hohe moralische Ansprüche. Allerorten sind Floskeln und Phrasen zu lesen wie „Neue Wege gehen“, „Mut zur Veränderung“, „Zukunft gestalten“. Aber wenn es um das Essen auf dem eigenen Teller geht: bitte nicht!
Sobald jemand einen vernünftigen Vorschlag macht, um unser Leben auch nur einen Funken nachhaltiger zu gestalten, lautet der kollektive Aufschrei: Unsere Freiheit wird bedroht! Dass die Deutschen noch nie so viel Fleisch wie in den vergangenen Jahrzehnten verzehrt haben, dass die industrielle Massentierhaltung eine irrsinnige Entwicklung nach sich gezogen hat, wird nicht reflektiert. Die Deutschen essen heute viermal so viel Fleisch wie Mitte des 19. Jahrhunderts und doppelt so viel wie vor hundert Jahren. Aber alles, was sich einmal etabliert hat, darf nicht mehr geändert werden.
Die Debatte der vergangenen Tage zeigt, dass zumindest ein Teil der Deutschen für sich beansprucht, jeden einzelnen Tag Fleisch essen zu müssen, im Durchschnitt 61 Kilo pro Kopf pro Jahr, egal, welche Folgen das für Menschen, Tiere und Ökosysteme anderswo auf der Welt hat. Jeder Versuch, Fehlentwicklungen auch nur in homöopathischen Dosen zu korrigieren, wird als Freiheitsentzug abgelehnt. Mit dieser Haltung, die ein spätkapitalistisches Anything-goes als Dauerzustand statuieren will, können wir uns von der Hoffnung, in Zukunft etwas zu verändern, verabschieden.
weiterlesen zeit.de
heuchelei der grünen gutmenschen
Hat dies auf walterfriedmann rebloggt.
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Ich bin gerade auch wieder ziemlich resigniert, muss ich gestehen. Habe gestern einen Artikel mit einem Beitrag über Kühe gepostet (von Hilal Sezgin, die ja selbst so etwas wie einen Gnadenhof betreibt), und bekomme sofort einen Kommentar, der das Geschichten aus dem Märchenwald nennt. Klar, es hört sich unwahrscheinlich an, aber zumindest die Geschichte der Kuh Dina ist belegt. Ich weiß auch nicht, aber wenn es den Menschen über Änderungen ihrer Brot-und-Spiele-Welt nachdenken sollten, haben sie irgendwo eine Blockade.
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